next up previous
Next: Der Crab-Pulsar und Supernovaüberrest Up: No Title Previous: Welche Vorkenntnisse sollten Sie

Einleitung

Neutronensterne repräsentieren einen wichtigen Endzustand der Sternentwicklung. Neben Weißen Zwergen, Schwarzen Löchern und der Fragmentation eines Sterns am Ende seiner thermonuklearen Entwicklung sind sie gleichsam gigantische Atomkerne in den Weiten des Universums. Geboren im Verlaufe einer Supernovaexplosion bei Temperaturen von einigen hundert Milliarden Grad, besitzen Neutronensterne einen Radius von nur etwa 10 km. Die Materiedichte im Zentralbereich des Sterns übersteigt mit $\sim 10^{15}\,\mbox{g/cm}^3$ die Dichte von Kernmaterie und die Schwerebeschleunigung an der Sternoberfläche ist mehr als zehnbillionenmal größer als auf der Erde. Mit ihren riesigen Magnetfeldstärken von bis zu $\sim 10^{13}$ Gauß, und Rotationsperioden im Millisekundenbereich, verkörpern die als Pulsare beobachtbaren Neutronensterne Extremzustände in nahezu allen stellaren Parametern und stellen damit ein physikalisches Laboratorium zu Verfügung, wie es auf der Erde nie erreicht werden kann.

Wann entsteht ein Neutronenstern ?

Das endgültige Schicksal eines Sterns wird im wesentlichen durch seine Anfangsmasse bestimmt. Wenn auch die exakten Massengrenzen bisher nicht sehr genau bekannt sind, so gilt doch in etwa das folgende: Liegt die anfängliche Masse eines Sterns im Bereich von $\sim 0.1\ldots 8$ Sonnenmassen $(\,\mbox{M}_\odot\,)$, so gibt der Stern Masse ab bis er sich zu einem Weißen Zwerg entwickelt hat oder explodiert als Typ-Ia Supernova in einer nuklearen C-Detonation, sofern sich der Stern in einem Binärsystem befindet. Ist die anfängliche Masse größer als ungefähr 8-10 $\mbox{M}_\odot\;$, so erwartet man die Entstehung eines Neutronensterns in Verbindung mit einer als Typ Ib, Ic oder II klassifizierten Supernovaexplosion (Hillebrandt 1997). Für Sternmassen oberhalb von etwa 30 $\mbox{M}_\odot\;$wird die Entstehung eines Neutronensterns dagegen unwahrscheinlich, der Stern kollabiert der Theorie nach zu einem Schwarzen Loch.

Warum beobachtet man Neutronensterne im Röntgenbereich ?

Aufgrund der gewaltigen Verdichtung der Materie während des Sternkollaps erreicht die Temperatur innerhalb eines Neutronensterns in statu nascendi einen Wert von einigen hundert Milliarden Grad und kühlt danach durch die Abstrahlung von Neutrinos aus dem Neutronensternkernbereich innerhalb nur weniger Stunden bis Tage auf etwa eine Milliarde Grad ab. Folgt man im weiteren Verlauf der thermischen Evolution den Voraussagen der Neutronensternkühlungsmodelle, so sollte - abhängig von den Eigenschaften der Materie bei nuklearer Dichte - die Oberflächentemperatur von Neutronensternen für mindestens einhunderttausend Jahre mehr als etwa eine Million Grad betragen, so daß das Emissionsmaximum ihrer thermischen Strahlung im weichen Röntgenbereich liegt und bei nicht zu starker interstellarer Absorption mit dem Röntgensatelliten ROSAT beobachtet werden kann.

Warum studiert man die thermische Evolution von Neutronensterne ?

Ein möglicher Zugang zur experimentellen Untersuchung der Materie bei extremer Energie- und Baryonendichte ergibt sich aus der engen Verbindung zwischen der thermischen Evolution von Neutronensternen und den physikalischen Eigenschaften der Neutronensternmaterie bei nuklearer Materiedichte. Je nach Neutronensternmodell und den darin enthaltenen Annahmen bezüglich der internuklearen hadronischen Wechselwirkung, der Existenz von Pionen, Kaonen, Hyperonen oder Quarks im Kern des Neutronensterns sowie den Einflüssen der superfluiden Neutronen in der inneren Neutronensternkruste (näheres hierzu in Anhang A), liefern die Theorien verschiedene Kühlraten und damit unterschiedliche Voraussagen für die Oberflächentemperatur eines Neutronensterns als Funktion seines Alters. Vergleicht man die für eine spezielle Modell-Zustandsgleichung berechnete Neutronensternkühlkurve mit den von ROSAT gemessenen Neutronensterntemperaturen, so erlaubt dies wichtige Rückschlüsse für die Richtigkeit der zur Bildung der Zustandsgleichung gemachten Annahmen und liefert die notwendigen experimentellen Grundlagen zur Verifikation der theoretischen Modelle.

Röntgenstrahlung thermischen Ursprungs stellt für die hier besprochene Klasse der sogenannten rotationsgetriebenen Pulsare (von denen der Crab-Pulsar der jüngste Vertreter ist) nur eine von mehreren möglichen Emissionsmechanismen dar. Eine weiterer, sehr wichtige Strahlungskomponente, ist die der nicht-thermischen Strahlung, wie sie beispielsweise von geladenen Teilchen emittiert wird die sich entlang von (gekrümmten) Magnetfeldlinien bewegen. Wie im nächsten Kapitel noch näher besprochen wird, ist die nicht-thermische Strahlung beim Crab-Pulsar sogar die mit Abstand dominierende Strahlungskomponente.

Was ist ein rotationsgetriebener Pulsar ?

Insgesamt kennt man bis heute etwa 750 Neutronensterne die als rotationsgetriebene Pulsare in Erscheinung treten. Ihre charakteristische Pulsarstrahlung ist eine unmittelbare Folge des extremen Neutronensternmagnetfeldes, das in Verbindung mit der schnellen Rotation des Sterns gleichsam wie ein gigantischer Dynamo wirkt und geladene Teilchen in einem engen Strahlenbündel oberhalb der Magnetfeldpole auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt (vergl. dazu die Abb. 1). Die beschleunigten Teilchen emittieren bei ihrer spiralförmigen Bewegung entlang der gekrümmten Magnetfeldlinien eine intensive, breitbandige elektromagnetische Strahlung, die sogenannte Synchrotron- und Krümmungsstrahlung. Fällt in einem solchen Szenario die Magnetfeldachse des Neutronensterns nicht mit seiner Rotationsachse zusammen, so kreist das Strahlenbündel - ähnlich dem Leuchtfeuer eines Leuchtturms - um die Rotationsachse des Neutronensterns, und ein Beobachter innerhalb des Strahlungskegel registriert für einen kurzen Augenblick das Überstreichen des Strahlenbündels als Puls in seinen Meßinstrumenten.




\begin{picture}
(90,85)(-3,0)
 \put(0,0){
\psfig {figure=rotpow1.eps,width=9cm,c...
 ...Strahlenb''undel}}
 \put(53.5,15){{\footnotesize Magnetfeldlinien}}\end{picture}





Abb. 1$\;\;$ Skizze eines rotationsgetriebenen Pulsars. Dargestellt ist der Pulsar mit Rotationsachse und Magnetfeldlinien (N und S bezeichnen den magnetischen Nord- bzw. Südpol des Neutronensterns). Die Plus- und Minuszeichen deuten die Ladungspolarität der Teilchen an, die sich entlang der gekrümmten Magnetfeldlinien bewegen und dabei Strahlung aussenden.





Im Gegensatz zu den sogenannten akkretierenden Neutronensternen, bei denen Materie von einem nahen Begleitstern oder aus dem interstellaren Medium auf den Neutronenstern übergeht (kosmischer Staubsauger) und dabei intensive Röntgenstrahlung aussendet, spricht man von einem rotationsgetriebenen Pulsar, wenn die Summe der pro Zeiteinheit vom Pulsar (bzw. dem mit ihm mit-rotierenden Magnetfeld) abgestrahlten Energie gerade der Abnahme seiner Rotationsenergie entspricht. Diese Bedingung (Energiebilanz) ist bisher nur beim Crab-Pulsar nachprüfbar und dort in sehr guter Näherung erfüllt.

Bezeichnet $\mbox{I}$ das Trägheitsmoment des Neutronensterns (der kanonischer Wert ist hier $10^{45}\;\mbox{g cm}^2$ - warum?, nehmen Sie an M=1.4 $\mbox{M}_\odot\;$, R=10 km) und $\Omega$ seine Winkelgeschwindigkeit (zum Beispiel die des Crab-Pulsars, der eine Rotationsperiode von P=33.4 Millisekunden besitzt und demnach mit einer Winkelgeschwindigkeit von $2\pi/P=188.11\;\mbox{rad s}^{-1}$ rotiert), so beträgt die im Neutronenstern gespeicherte Rotationsenergie[*]

\begin{displaymath}
E_{rot}=\frac{1}{2} 
 \;\mbox{I}\; \Omega^2 \sim 1.8\times 10^{49}\; \mbox{erg.}\end{displaymath}

Die pro Zeiteinheit von einem rotationsgetriebenem Pulsar abgestrahlte Energie entspricht nun gerade der zeitlichen Änderung seiner Rotationsenergie $dE/dt = \mbox{I}\; 
 \Omega\; d\Omega/dt$, was sich experimentell durch die Zunahme der Neutronensternrotationsperiode bemerkbar macht. Beim Crab-Pulsar beträgt die Abnahme der Rotationsenergie beispielsweise $dE/dt\sim 4\times
 10^{38}\,\mbox{erg s}^{-1}$ und die Zunahme der Rotationsperiode $dP\sim 4.2\times10^{-13}\;\mbox{s}$ pro Sekunde.

Es ist eine schöne Übung zur Praktikumsvorbereitung (die nur Grundlagen der Elektrodynamik voraussetzt) aus der zeitlichen Änderung der Neutronensternrotationsenergie $\dot{E}=I\,\Omega\,\dot{\Omega}$ sowie aus der pro Zeiteinheit abgestrahlten Energie des rotierenden magnetischen Dipols $\dot{E}=-\frac{1}{6 c^3} B_\perp^2 R^6 \Omega^4 \sin^2 \alpha$ den funktionellen Zusammenhang zwischen Magnetfeldstärke und den Observablen $\Omega, \dot{\Omega}$ (bzw. $P,\dot{P}$) sowie zwischen dem Bremsalter $\tau$ (auch als spin-down age bezeichnet) und $\Omega, \dot{\Omega}$ (bzw. $P,\dot{P}$) abzuleiten.

Nützliche Formeln hierzu sind: $\vert\vec{m}\vert = \frac{1}{2} B_\perp R^3,\;$ $\dot{E} = -\frac{2}{3 c^3}\;\vert\ddot{\vec{m}}\vert^2,\;$ sowie $\dot{E}=-\frac{1}{6 c^3} B_\perp^2 R^6 \Omega^4 \sin^2 \alpha$. Dabei bedeuten $\vec{m}$ das magnetische Moment des rotierenden Dipols, $B_\perp$ die Senkrechtkomponente das magnetischen Dipolfeldes an den Polen, c die Lichtgeschwindigkeit, $\Omega, \dot{\Omega}$ die Winkelgeschwindigkeit sowie deren zeitliche Ableitung und $\alpha$ den Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeldachse (nehmen sie der Einfachheit halber $\sin\alpha=1$ an - aligned rotator). R bezeichnet den Neutronensternradius (z.B. R=10 km). Zur Ableitung des Bremsalters müssen Sie ferner annehmen $\dot{\Omega}
 = -k\,\Omega^n$ wobei k=const und $n \in \Bbb N$. Ferner nimmt man an, daß die (heute) gemessene Winkelgeschwindigkeit des Pulsars sehr klein ist gegenüber der Winkelgeschwindigkeit $\Omega_0$ kurz nach der Entstehung des Neutronensterns (man kann in diesem Fall gewissen Terme in der Ableitung vernachlässigen). n bezeichnet man als Bremsindex.

Rotationsgetriebene Pulsare wie der Crab-Pulsar werden hauptsächlich als Radiopulsare beobachtet. Ihre Röntgen- und Gamma-Strahlung wird in der Erdatmosphäre absorbiert und ist mit den heute zur Verfügung stehenden Satelliten aufgrund ihrer beschränkten Empfindlichkeit nur dann nachweisbar, wenn der Neutronenstern entweder sehr jung oder sehr nah ist. Bis heute sind nur 27 der insgesamt 750 rotationsgetriebenen Pulsare auch im Röntgenbereich nachgewiesen, und sogar nur sieben davon auch im Gamma-Bereich oberhalb von 100 GeV. Im optischen Wellenlängenbereich hat man bisher nur Strahlung von acht rotationsgetriebenen Pulsare detektiert. Der Crab-Pulsar ist der einzige Neutronenstern dessen Strahlung über das gesamte elektromagnetische Spektrum nachgewiesen ist.


next up previous
Next: Der Crab-Pulsar und Supernovaüberrest Up: No Title Previous: Welche Vorkenntnisse sollten Sie

Roberto Saglia
5/6/1998