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Universitäts-Sternwarte München


Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität

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Geschichte der Sternwarte

Seyffer/Haidhausen

Im April 1805 äußerte sich Schiegg in einem Brief zum Ablauf der dramatischen Ereignisse: Eine churfürstliche Kommission in Begleitung des Herrn Hofrat u. Hofastronomen Seyffer kam ganz unerwartet auf mein Zimmer mit dem mündlichen Befehl Sr. Exzellenz des Herrn Ministers Freiherrn von Montgelas, daß ich sogleich meine Instrumente an gemeldeten Herrn Seyffer abgeben, u. dieser meine Geschäfte vollenden soll. Am folgenden Tage wurde alles, was in Quadersteinen mit Blei vergoßen war, durch Steinmetzen herausgebrochen, u. die Instrumente, die mich so viel Mühe gekostet haben, auf den Platz des künftigen Observatoriums, wo indessen eine hölzerne ‘Hütte’ steht, geschleppt. Dort liegen sie nun, wie man mir sagt, noch eingepackt. Die Hütte stand südlich des damaligen Dorfes Haidhausen und bei dem gemeldeten Herrn handelte es sich um Karl Felix v. Seyffer, der von 1789 bis 1804 eine Professur für Astronomie in Göttingen bekleidet hatte und zuletzt Mathematik an der bayerischen Landesuniversität in Landshut lehrte. Seine Persönlichkeit und seine Fähigkeiten waren durchaus umstritten. So wurde er von einigen Zeitgenossen als besoldeter Ignorant und ein nur als astronomischer Handlanger brauchbarer Müßiggänger bezeichnet. Dieser Mann erhielt nun vom Kurfürst den Auftrag, eine größere Sternwarte zu bauen und einzurichten. Bevor jedoch konkrete Schritte unternommen werden konnten, musste erst die bereits seit 1804 laufende und nach der am 1. Januar 1806 auf Initiative von Napoleon vollzogenen Erhebung Bayerns zum Königreich intensivierte Reorganisation der Akademie weiter vorangebracht werden. In der auf den 1. Mai 1807 datierte Konstitutionsurkunde wurde erstmals die Errichtung einer Sternwarte in München offiziell festgelegt und in einem Erlass vom 28. März 1808 nochmals die Ergänzung der mangelhaften Sternwarte ausdrücklich zugesichert. Letztendlich war dann die Ersetzung der vorläufigen Bauten der Sternwarte durch bessere für das Etatjahr 1809/10 eingeplant. Hofrat Seyffer wurde daher angewiesen, die nötigen Instrumente bereits jetzt anzuschaffen und zwar vorzugsweise in der Utzschneider-Reichenbach-Liebherr’schen Anstalt, die 1804 als Mathematisch-Mechanisches Institut auf Initiative von Joseph v. Utzschneider (1763–1840) gegründet worden war und optisch-feinmechanische Instrumente von höchster Qualität herstellte.

[Karl Felix v. Seyffer][Joseph v. Utzschneider]

Links: Karl Felix v. Seyffer kam 1805 als Hofastronom nach München und erhielt den Auftrag zum Bau einer der Akademie würdigen Sternwarte. U. a. wegen seines schwierigen Charakters scheiterte er an dieser Aufgabe. Seine Marmorbüste entstand wohl in der Zeit von 1789 bis 1804, als er eine Professur für Astronomie an der Universität Göttingen bekleidete. Das Bild wird in der Abteilung für Handschriften und seltene Drucke dieser Universität aufbewahrt und ist das einzige, das über die Physiognomie Seyffers Auskunft gibt. Die Büste selbst ist verschollen. Rechts: Joseph v. Utzschneider war eine schillernde Persönlichkeit: Von seiner Ausbildung her war der Bauernjunge aus Rieden am Staffelsee Licentiat beider Rechte, besaß einen Doktortitel in Philosophie und war geprüfter Landschaftsgeometer. Viele Jahre bekleidete er diverse hohe Staatsämter mit Wirkungsschwerpunkt im Finanzwesen und in der Land- und Forstwirtschaft. Seine unternehmerischen Fähigkeiten bei der Gründung einer großen Zahl von Fabriken sind Legende.

Große astronomische Arbeiten waren im Provisorium Haidhausen nicht geplant, es sollte im Wesentlichen zur Unterstützung des Topographischen Büros dienen. Nur einige wenige Aktivitäten lassen sich nachweisen, die im Wesentlichen die Bestimmung ihrer geographischen Parameter sowie die Beobachtung des großen Kometen von 1811 zum Inhalt hatten.

[Dokument von Seyffer][Dokument von Seyffer][Dokument von Seyffer][Dokument von Seyffer]

Basierend auf 1500 Messungen, die er von Januar 1807 bis Juli 1808 mit einem Barometer durchgeführt hatte, bestimmte Seyffer die Höhe seiner Sternwarte über dem mittelländischen Meer zu 525.692 Meter entsprechend 1801.18 Bayerischen Schuh. Ihre geographische Länge berechnete er mit Hilfe der Beobachtung von Sternbedeckungen, der partiellen Sonnenfinsternis vom 16. Juni 1806 und der Kombination mit Messungen, die von 36 weiteren Stationen in Deutschland, Europa und sogar Amerika durchgeführt worden waren. Nach zweijähriger Reduktionsarbeit ergab sich die Längendifferenz der Interimssternwarte zum damaligen Nullmeridian in Paris zu −37m05.s56. Die geographische Breite ermittelte Seyffer durch Beobachtungen von Polaris zu 48°07′33″.

Als sich Anfang 1809 der fünfte Koalitionskrieg zwischen Österreich und Frankreich anbahnte und die österreichischen Truppen am 10. April 1809 mit einem Angriff auf Bayern, das zwischenzeitlich die Fronten gewechselt hatte, die Feindseligkeiten eröffneten, ließ Seyffer in weiser Voraussicht die Einrichtung seiner Sternwarte auslagern. Tatsächlich montierten biwakierende Soldaten deren Staketenzaun ab und benutzten ihn in der weitgehend baumlosen Ebene östlich von München als Brennmaterial für ihr Lagerfeuer. Das aus Anlass der Auslagerung angelegte Inventarverzeichnis gibt Auskunft über die instrumentelle Ausstattung und die sonstige Einrichtung des Provisoriums.

[Ausschnitt aus der Inventarliste]
[Ausschnitt aus der Inventarliste]
[Ausschnitt aus der Inventarliste]
[Ausschnitt aus der Inventarliste]
[Pendeluhr von Pierre Louis Berthoud]

Das Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1809 listet unter Instrumente neben Hygrometern, Barometern und sonstigen Gerätschaften auch diverse Pendeluhren, darunter eine von Pierre Louis Berthoud (1754–1813), dem berühmten Horologer de la Marine, die dieser 1807/1808 in Paris angefertigt hatte. Seit 1994 befindet sie sich im Deutschen Museum. Weiter sind mehrere kleinere Teleskope verzeichnet, darunter solche von den englischen Optikern Peter Dollond (1731–1820) und Jesse Ramsden (1735–1800). Dem peniblen Verzeichnis der Hausgeräthe kann man entnehmen, dass es ein Bett für den Astronomen, bestehend in 1 Matratze, 1 Oberbett, 1 Couvert und 2 Kissen gab, idem für den Hausmeister. Weiter sind 8 Betttücher, 7 Kissenüberzüge und 1 Bettüberzug aufgelistet. Zusätzliche Möbel waren ein Tisch von Kirschbaumholz und ein alter Tisch und zwei Stühle für den Hausmeister. An Werkzeugen gab es neben 1 Handbeil, 1 Holzaxt, 1 Hammer, 1 Hobel, 2 Sägen, 2 Stemmeisen auch 7 Schraubenzieher.

Da sich der Hauptkriegsschauplatz des fünften Koalitionskrieges rasch nach Österreich verlagerte, konnte man sich nun auch auf höchster Ebene um die Sternwartangelegenheit kümmern. Offenbar war klar geworden, dass die für den Bau der Sternwarte vorgesehenen Mittel im Etatjahr 1809/1810 nicht zur Verfügung stehen würden und daher möglicherweise eine Wiederbelebung der Pläne zum Bau einer Sternwarte auf dem Hohenpeißenberg schneller und kostengünstiger zu realisieren seien.

Schon 1772 hatte Kurfürst Max III. Joseph auf Drängen von Lori die Gründung eines Observatoriums auf dem Hohenpeißenberg, einem 980 m hohen Berg in der Nähe von Weilheim, angeordnet. Seit 1514 befand sich dort eine Kapelle, die sich allmählich zu einer Wallfahrtsstätte entwickelte und 1604 dem nahe gelegenen Augustinerchorherrenstift Rottenbuch unterstellt wurde. In den Jahren 1616 bis 1619 war dann östlich der Kapelle eine neue Kirche und ein Wohnhaus für Priester errichtet worden. Im Zuge der sich entfaltenden wissenschaftlichen Tätigkeit der Geistlichen hatte man dort schon ab 1758/59 meteorologische Messungen vorgenommen, für die sich jedoch kaum jemand interessierte. Die hochfliegenden Sternwartpläne, bei deren Realisierung auch das Kloster Polling beteiligt war, führten schließlich nur zum Bau einer Beobachtungsplattform auf dem Dach des Pfarrhofgebäudes. Der Tod des Kurfürsten 1777 hatte dann weitere astronomische Baumaßnahmen beendet, lediglich meteorologische Messungen lebten wieder auf.

Im August 1809 kam es im Zusammenhang mit der Klärung der Standortfrage eines neuen Observatoriums sogar zu einem hochrangigen Kurzbesuch auf dem Hohenpeißenberg: Innenminister Maximilian Joseph Graf v. Montgelas (1759–1838) und Finanzminister Johann Wilhelm Frh. v. Hompesch-Bollheim (1761–1809) wollten die Möglichkeit prüfen, die zwey göttlichen Schwestern Astronomie und Meteorologie in nahen Bund zu bringen und sich persönlich ein Bild von der Eignung des Standortes machen. In einem Schreiben vom 16. Oktober 1809 informierte Montgelas dann die Akademie über das Resultat der Entscheidungsfindung. Dabei ist nur noch die Rede davon, der König habe den Wunsch, dass sich die Akademie der meteorologischen Beobachtungen auf dem Hohenpeißenberg annehmen solle. Der Bau einer Sternwarte wird nicht erwähnt, mit den Überlegungen zu einem astronomische Observatorium auf dem Hohenpeißenberg war es unwiderruflich vorbei.

[Blick vom Hohenpeißenberg auf die Alpenkette]

Blick vom Hohenpeißenberg auf die Alpenkette nach einer Lithographie aus dem Jahre 1838.

[Die Wallfahrtskirche auf dem Hohenpeißenberg]

Die Wallfahrtskirche mit Bepobachtungsplattform auf dem Dach des Pfarrhofgebäudes ca. 1935.

[Maximilian Joseph Graf v. Montgelas][Johann Wilhelm Frh. v. Hompesch-Bollheim]

Innenminister Montgelas (links) und Finanzminister Hompesch-Bollheim (rechts) überprüften 1808 den Hohenpeißenberg als möglichen Standort einer Sternwarte.

[Das Kloster Polling][Das Augustinerchorherrenstift Rottenbuch]

Das Kloster Polling (links) bei Weilheim wurde erstmals um 750 errichtet, ab 1714 neu erbaut und entwickelte sich dann im 18. Jahrhundert zu einem Hort der Wissenschaft. Die Wallfahrtsstätte auf dem Hohenpeißenberg wurde 1604 dem 1073 gegründeten Augustinerchorherrenstift Rottenbuch (rechts) unterstellt. Im Zuge der sich entfaltenden wissenschaftlichen Tätigkeit der Geistlichen nahm man auf dem Berg schon ab 1758/59 meteorologische Messungen vor.

In Haidhausen stagnierte zwar der vorgesehene Bau der Sternwarte weiterhin, die 1803 in die Wege geleitete Säkularisation jedoch, die vor allem auch die Enteignung von Klostervermögen legitimierte, sorgte immer noch für einen Zuwachs ihres Instrumentenbestandes. Die Akademie profitierte hier in hohem Maße von der Tatsache, dass beinahe in jedem bayerischen Kloster Wissenschaft betrieben worden war und daher die entsprechenden Geräte, die oft in klostereigenen Werkstätten hergestellt worden waren, sowie die umfangreichen Klosterbibliotheken eine willkommene Bereicherung auch für Universitäten, Lyzeen und Gymnasien darstellten. Erst diese Geräte, vor allem die aus Polling, Rottenbuch, Benediktbeuern, Tegernsee und St. Emmeram in Regensburg, machten das Physikalische Kabinett der Akademie zu einem der wichtigsten in Europa und begründete ihre Bedeutung als Mittelpunkt physikalischer und astronomischer Forschung.

Im Jahre 1811 erhielten die beiden Konservatoren Maximus v. Imhof (1758–1817) und Johann Baptist v. Spix (1781–1826) von der Akademie den Auftrag sich nach Regensburg zu begeben und die Auswahl der physikalischen Instrumente und Naturalien aus den dortigen Sammlungen für die hiesigen königlichen Sammlungen zu bewerkstelligen. Canonicus Imhof hat die in den beiliegenden Verzeichnissen A, B und C für das hiesige Kön. physikalische Museum, für das chemische Laboratorium und für die Sternwarte ausgezeichneten Instrumente auszuscheiden und für deren gute Verpackung und Hinbringung Sorge zu tragen. Spix war für die Auswahl der naturhistorischen Apparate und Naturalien zuständig. Das von Imhof am 12. November 1811 signierte Verzeichniß der aus dem physikalischen Kabinete zu St. Emmeram von Unterzeichnetem für die akademische Sammlung ausgewählten Instrumente umfasst ca. 150 Objekte, die in diesem Zusammenhang nach München transferiert wurden. Diese späte Requirierung hängt damit zusammen, dass erst mit dem Pariser Vertrag vom 28. Februar 1810, in dem sich Bayern mit Frankreich über Gebietsarrondierungen verständigt hatte, das 1802/03 neu gegründete Fürstentum Regensburg Bayern zugeschlagen wurde. Die Klostergebäude kamen an das Fürstenhaus der Thurn und Taxis, dem schon seit einiger Zeit Teile der Klosteranlage gehörten und das diese nun insgesamt in ein Schloss umbauen ließ.

[Maximus v. Imhof]

Der Exaugustiner Imhof hatte Physik, Mathematik und Philosopie studiert und leitete seit 1792 das Physikalische Kabinett der Akademie. Einen Namen machte er sich auch durch seine Bemühungen um die Verbreitung des Blitzableiters. Trotz der bestehenden theologischen Bedenken, dass man nicht durch Ableiten der Blitze in die göttliche Vorsehung eingreifen solle, hatte er die Erfindung von Benjamin Franklin (1706–1790) weiterentwickelt indem er statt Eisenstangen geflochtenen Messingdraht benutzte. Zwischen 1795 und 1816 wurden in Bayern nach diesem Konzept über 1000 Blitzableiter installiert.

[Johann Baptist v. Spix]

Spix wurde nach seinem Studium der Philosophie, Theologie, Medizin und der Naturwissenschaften 1811 zum Konservator der zoologischen Sammlungen ernannt. Bekannt wurde dieser bayerische Humboldt durch eine Expedition, die er von 1817 bis 1820 zusammen mit dem Botaniker Carl Philipp v. Martius (1794–1868) nach Brasilien unternahm. Spix und Martius erkundeten ausgehend von Rio de Janeiro das Innere Brasiliens und vor allem das Amazonasgebiet. Dabei entdeckten sie im Osten des Landes die sog. Santana-Formation, eine der bedeutendsten Fossillagerstätten der Welt aus der frühen Kreidezeit. Die mitgebrachten Tiere, Pflanzen, Mineralien, Versteinerungen und ethnographischen Gegenstände bereichern heute noch die entsprechenden Sammlungen in München.

[Anweisung der Akademie an Imhof und Spix][Anweisung der Akademie an Imhof und Spix]

Anweisung der Akademie vom 12. November 1811 an die Konservatoren Imhof und Spix, sich nach Regensburg zu begeben und im Kloster St. Emmeram Geräte u. a. für die Sternwarte zu requirieren.

[Ausschnitt aus dem Verzeichnis der transferierten Geräte][Sextant von Troughton]
[Ausschnitt aus dem Verzeichnis der transferierten Geräte]

Im Verzeichnis der aus St. Emmeram nach München transferierten Geräte findet sich z. B. neben einer Verbindung von hölzernen Zirkeln zum Studium der sphärischen Astronomie auch ein zehnzölliger englischer Original Sextant von Troughton in London nebst Stativ, doch ohne Glashorizont, der sich noch heute in der Sternwarte in Bogenhausen befindet. Das Instrument wurde um 1802 in der Firma der Brüder John (1739–1807) und Edward (1753–1835) Troughton hergestellt, die seinerzeit zu Englands führenden Instrumentenbauern gehörten.

[Cométographie von Alexandre Guy Pingré][Buchausschnitt]

In der Bibliothek der Sternwarte in Bogenhausen befinden sich heute noch auch einige hundert Bücher aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, die zumindest teilweise aus der Plünderung der Klöster stammen. Ganz sicher ist dies für einige Exemplare, die das Ex Libris des Pollinger Probstes Töpsl tragen. Abgebildet ist hier das Hauptwerk des französischen Augustiner-Chorherren und Astronomen Alexandre Guy Pingré (1711–1796), die Cométographie. Mit etwa 80 000 Bänden befand sich im Chorherrenstift Polling bis zur Säkularisation eine der umfangreichsten Bibliotheken in Bayern.

Die von Seyffer 1808 bei Utzschneider, Reichenbach und Liebherr bestellten Instrumente waren 1811/12 geliefert worden. Der Jahresbericht der Akademie, herausgegeben zur Feyer des Maximilianstages am 12. Oktober 1812, gibt hierzu an: Eine baldige Vergrößerung erheischt dringend die jetzige interimistische Sternwarte, damit die nun fertigen drey Instrumente, die in allen ihren Theilen und mit Einschluß der Gläser zugleich als rühmliche Zeugnisse weitgetriebener vaterländischer Kunst anzusehen sind, ihre Aufstellung finden und gebraucht werden können. Die geäußerte Vermutung, daß diese drey vorzüglichen Fundamental-Instrumente noch im Laufe des nächsten Jahres gebraucht werden können, erwies sich leider als nicht zutreffend.

[Mittagsrohr][Äquatorial][Astronomischer Multiplikations-Kreis]

Bei den 1811/12 gelieferten Instrumenten handelte es sich um ein sechsfüßiges vollständiges Mittagsrohr, mit einer Objectiv-Oeffnung von 4 ¼ Zoll (links), um ein vollständiges Aequatorial nach der neuesten Construction, mit dreysigzölligen Declinations- und dreysigzölligen Aequatorialkreis (Mitte) und einen dreyfüßigen vollständigen astronomischen Multiplikations-Kreis, mit dreysigzölligen Azimutal-Kreis und der Objektiv-Oeffnung von 3 ¼ Zoll (rechts).

Es stellte sich nämlich heraus, dass die neuen Instrumente im vorhandenen Provisorium wegen ihres Gewichtes nicht optimal aufgestellt und genutzt werden konnten. Ein Erweiterungs- bzw. Neubau mit tief gemauerten Fundamenten, evtl. sogar an einem anderen Platz, war daher nun unumgänglich geworden, wenn die Instrumente das leisten sollten, was man von ihnen erwartete. Obwohl die Lage bei Haidhausen eigentlich nicht schlecht war, entschied man sich letztendlich für einen anderen Platz unmittelbar neben dem Dorf Bogenhausen. Offenbar war der ungefähre Standort schon von Seyffer in Erwägung gezogen worden, aber die Haupt Idee der Form zu einer neuen Sternwarte ¯
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von dem Königlichen Salinen Rathe, Herrn von Reichenbach, welcher im Einverständniß mit dem Königlichen Astronomen und Steuer Rathe Herrn Soldner den Platz ausgewählt hat.

Johann Georg v. Soldner, der ohne geregelte Schulausbildung sich vor allem im Selbststudium Kenntnisse in Geodäsie, Mathematik und Astronomie angeeignet hatte, war 1805 mit der Vermessung des damals noch preußischen Fürstentums Ansbach betraut worden. In diesem Zusammenhang war er in Kontakt mit Schiegg gekommen, der ihm schließlich eine Stelle in der Steuervermessungskommission in München verschaffte. Soldner hatte dort im April 1808 seinen Dienst angetreten und dann 1810 mit seiner Denkschrift Theorie der Landesvermessung die theoretischen Grundlagen der bayerischen Landesvermessung gelegt.

Seyffer, der schon seit 1813 mit dem Vorwurf der astronomischen Untätigkeit leben musste, bekam zudem als jemand, der lange Zeit als Ingénieur-Géographe enge Verbindungen zu Napoleons Hauptquartier hatte, die Abkehr von der bisherigen Orientierung Bayerns an Frankreich zu spüren. Die provisorische Sternwarte wurde zum Politikum: Sie sei Männern überlaßen, welche den Orden der französischen Ehrenlegion hätten, wie ein Flugblatt anprangerte. Seyffer wurde daraufhin von seinen astronomischen Aufgaben dispensiert, aber 1815 zum Direktor des Topographischen Büros berufen. Gleichzeitig ernannte man Soldner zum Hofastronomen und betraute ihn mit der Leitung der provisorischen Sternwarte. Er sollte nun endlich den Bau des neuen Observatoriums in die Tat umsetzen. Seine bisherige Tätigkeit in der Katasterkommission wurde auf gelegentliche Beratungen beschränkt. Für Soldner war die Übergabe der Sternwarte, die 1. April 1816 offiziell erfolgte, die Krönung seines Lebens, denn so ging sein Wunsch nach einem ruhigen, permanenten Wirkungsbereich in Erfüllung.

[Johann Georg v. Soldner][Soldners »Theorie der Landesvermessung«]

Der Vater der bayerischen Landesvermessung Johann Georg v. Soldner wurde zum Gründungsdirektor der Sternwarte in Bogenhausen. Sein Buch Theorie der Landesvermessung (hier ein Nachdruck in der Reihe Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften aus dem Jahre 1911) legte die Grundlagen der bayerischen Landesvermessung. Dabei führte er das nach ihm benannte rechtwinklig-sphärische Koordinatensystem ein, mit Nullpunkt in der Helmstange des nördlichen Turms der Frauenkirche, und ersetzte das Erdellipsoid durch eine Kugel. Deren Größe wählte er so, dass sie das Ellipsoid entlang des Breitenkreises durch München gerade berührte. Damit konnten die mathematischen Formeln wesentlich vereinfacht und die Koordinaten der trigonometrischen Punkte viel leichter berechnet werden. Für ein Land von der Größe Bayerns waren die dadurch entstehenden Abweichungen hinnehmbar. Dieses Verfahren, das man bis 1873 als Dienstgeheimnis behandelte, wurde in Bayern 150 Jahre lang angewandt und auch von zahlreichen anderen Staaten übernommen.

[Umgebungsplan Münchens von 1812]

Dieser Umgebungsplan Münchens aus dem Jahre 1812 verzeichnet an der Stelle der Holzhütte eine Potemkinsche Sternwarte von gigantischen Ausmaßen. Ein solcher Bau wurde jedoch an diesem Platz nie realisiert. Hier war bei Seyffer wohl der Wunsch der Vater des Gedankens gewesen.

[Ausschnitt des Atlasblattes Nr. 77 des Topographischen Atlas des Königreiches Bayern]

Dieser Ausschnitt des Atlasblattes Nr. 77 des geplanten Topographischen Atlas des Königreiches Bayern, das im Sommer 1812 zur allerhöchsten Zufriedenheit des Königs Max I. Joseph der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, zeigt die Lage der mit einem Kreis bezeichneten Ehemaligen Kön. Sternwarte südlich von Haidhausen und bereits die der Neuen Kön. Sternwarte bei Bogenhausen. Der bayerische Nullmeridian führt dabei noch durch die alte Sternwarte. Im Jahre 1842 wurden in diesen Plan nachträglich existierende und projektierte Eisenbahnlinien eingezeichnet. Am 1. September 1839 war der fahrplanmäßige Eisenbahnbetrieb zwischen dem Marsfeld und Lochhausen eröffnet worden, gefolgt von der Eröffnung der Gesamtstrecke nach Augsburg am 4. Oktober 1840. Als der provisorische Holzbahnhof auf dem Marsfeld (heute befindet sich auf diesem Gelände die Hackerbrücke) am 4. April 1847 abbrannte, wurde er durch einen Neubau ca. einen Kilometer weiter östlich ersetzt, der sich zum heutigen Hauptbahnhof entwickelte. Im Jahre 1868 begannen die Bauarbeiten für die projektierte Strecke vom Hauptbahnhof über Friedenheim und Giesing nach Simbach mit der Abzweigung nach Rosenheim. Dabei entstand direkt neben der alten Sternwarte der Haidhauser Bahnhof, der 1876 in Ostbahnhof umbenannt wurde.

Bildquellen:

Nr. 3–11, 20–30: USM
Nr. 1: Universität Göttingen
Nr. 12, 13: P. Winkler
Nr. 31: BAdW
Nr. 32: A. Brachner
Nr. 2, 14–19, 33: WWW

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