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Universitäts-Sternwarte München


Fakultät für Physik der Ludwig-Maximilians-Universität

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Geschichte der Sternwarte

ESO-Instrumente – OmegaCAM

Bereits zu einem Zeitpunkt als das FORS-Projekt noch nicht abgeschlossen war, wurde im Jahre 1999 mit der Teilnahme der Sternwarte Bogenhausen an einem weiteren großen, dieses Mal internationalen Instrumentenprojekt neue Maßstäbe gesetzt. Im Rahmen des sog. OmegaCAM-Konsortiums, eines Zusammenschlusses mit den Universitäts-Sternwarten in Göttingen und Bonn, dem Kapteyn-Institut in Groningen, der Sterrewacht Leiden, dem Osservatorio Astronomico di Padova und dem Osservatorio Astronomico di Capodimonte-Napoli, sollte in den folgenden Jahren in enger Zusammenarbeit mit ESO eine der größten bisher gebauten CCD-Kameras als einziges Instrument für das 2.6-m-VLT Survey Telescope (VST) der ESO auf Paranal entstehen, um damit eine großflächige Durchmusterung des südlichen Himmels nach schwächsten Quellen einzuleiten. Das Projekt erhielt mit Verweis auf den letzten Buchstaben des griechischen Alphabets die Bezeichnung OmegaCAM, um einem seinerzeit existierenden amerikanischem Konkurrenzunternehmen mit Namen MegaCAM zu signalisieren, dass die Europäer die ultimative Kamera bauen würden. Dabei konzentrierten sich die Arbeitsaufgaben der Sternwarte Bogenhausen auf die Bereiche internationales Projektmanagement, Entwurf und Bau der gesamten Steuerungselektronik sowie auf die Beschaffung und Charakterisierung der erforderlichen überdimensionalen Filter. Außerdem sollte die Sternwarte die Integration sowie die Tests der Kamera in Bogenhausen, bei ESO/Garching und auf dem Paranal koordinieren und leiten. Die Hauptaufgabe des Instituts in Göttingen lag bei Planung und Herstellung des gesamten mechanischen Systems, während Bonn für die Gestaltung und den Bau des großformatigen, hochpräzisen Kameraverschlusses zuständig war, der bei Verschlusszeiten von mehr als einer Sekunde Genauigkeiten von einer Millisekunde erlauben sollte. ESO zeichnete für Design und Realisierung des Detektorsystems sowie für die Eingangskontrolle der Detektoren verantwortlich. Die übrigen Institute Institute sorgten für die Erstellung der Kalibrations-, Analyse- und Steuerungssoftware.

Schon Ende Juni 2003 konnte das in Göttingen gefertigte Kameragehäuse in ein Labor der Sternwarte Bogenhausen transportiert werden, um dort den Präzisionsverschluss und die Motore zur Positionierung der Filter in der Fokalebene und zu deren Lagerung in den beiden Speicher-Magazinen zu integrieren. Anschließend wurde in zahllosen Testläufen die Funktionalität aller vorgesehenen Operationen der Kamera überprüft und optimiert.

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Im Frühjahr 2004 begann in einem Labor der Sternwarte Bogenhausen die mechanische und elektronische Testphase der Kamera. Im Vordergrund links das in Bogenhausen entwickelte und gebaute Elektronik-Kabinett, im Hintergrund der von der Sternwarte Göttingen gefertigte Instrumentenansatz, der mit einem Schwenkrahmen in unterschiedliche Testpositionen gebracht werden konnte.

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Blick in das Innere der Kamera mit Hochleistungsverschluss und angehängter Ladevorrichtung, mit der zwei Magazine mit jeweils sechs Filtern bestückt werden können.

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Mit einem Umtrunk im November 2004 wurde die erfolgreiche Beendigung der Tests an der Sternwarte gefeiert.

Mit ihrem großen Feld von einem Quadratgrad, das von einem Mosaik aus 32 CCD-Detektoren mit insgesamt 256 Millionen Bildelementen überdeckt wird, und mit bisher noch nie in der damit erforderlichen Größe hergestellten Filtern bei gleichzeitig höchsten, durch die wissenschaftlichen Vorgaben bedingten Qualitätsansprüchen wurde mit dem Konzept und dem Bau dieser Kamera technisches Neuland betreten. Nur zwei der weltweit angesprochenen vierzehn Spezialfirmen sahen sich in der Lage, die Produktion der übergroßen Filter der Dimension 32 × 32 cm mit den geforderten Spezifikationen in Angriff zu nehmen: SAGEM/Paris und BARR/USA, wobei nur SAGEM bereit war, die Produktion monolithische Filter dieser Größe zu wagen. BARR konnte nur aus vier Segmenten bestehende Filter anbieten, die allerdings im Stoßbereich die optische Qualität beeinflussen. Dabei wurde von SAGEM die Multi Layer-Technik angewandt, die eigentlich kein neues Verfahren der Filterproduktion darstellte, aber bisher jedoch nur auf Filter wesentlich kleinerer Dimension beschränkt war, während BARR noch mit der klassischen Methode der eingefärbten Gläser mit Antireflexbeschichtung arbeitete. Der 2002 gestartete und sich über mehr als fünf Jahre hinziehende Herstellungsprozess der Filter wurde von Bogenhausen aus in engem Kontakt mit beiden Firmen ständig begleitet und überwacht. Zur Gewährleistung eines standardisierten Prüfungsverfahrens mussten sich alle gelieferten Filter mit einem eigens eingerichteten Prüfstand in Bogenhausen peniblen Tests unterziehen, um die Übereinstimmung der Herstellerangaben im Detail mit den vom Konsortium geforderten technischen Spezifikationen überprüfen zu können. Diese Entscheidung sollte sich im Nachhinein als berechtigt erweisen, denn vier der insgesamt zwölf von SAGEM/BARR gelieferten Filter mussten beanstandet und neu hergestellt werden. Der Aufwand war berechtigt, denn immerhin kosteten einzelne Interferenzfilter teilweise über 100 000 € und insgesamt mussten für die Filter mehr als eine Million € aufgewendet werden. Als Folge dieser Zusammenarbeit des OmegaCAM-Kosortiums mit SAGEM steht Europa heute bzgl. der Beschichtung von großen Planoptiken in der Welt einmalig da.

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Das Mosaik von 32 CCDs (268 Megapixel) am oberen Ende der kryogenen, während des Betriebs auf −120 °C heruntergekühlten Detektoreinheit. Links oben und rechts unten sind die Auslässe für die noch nicht montierten restlichen vier CCDs (Nachführung und Bildanalyse) zu erkennen.

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Einer der sechs monolithischen Filter bei der Inspektion durch einen Mitarbeiter der Firma SAGEM/Paris. Filter dieser Dimension wurden nach den Vorgaben des Konsortiums erstmals überhaupt hergestellt.

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Eine Testeinrichtung im Optik-Labor der Sternwarte diente der genauen Qualitätsüberprüfung der technischen Spezifikationen der Filter.

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Ein monolithischer Filter bei Tests im Strahlengang der Kamera.

Anfang Dezember 2004 überführte das Konsortium die Kamera und das Elektronik-Kabinett in ein Labor der ESO in Garching, um dort die Funktionalität aller vorgesehenen Operationen im Zusammenspiel mit dem Detektorsystem zu optimieren und zu charakterisieren. Hierzu wurde das Instrument an einen Simulatorstand montiert, der exakt die Verhältnisse am VST wiedergab, so dass unter realitätsnahen Bedingungen neben den technischen Tests auch Montage, Handhabung und Wartung aller Komponenten erprobt werden konnte. Nachdem die Tests im Dezember 2005 erfolgreich abgeschlossen werden konnten, wurde das Instrument Anfang Januar 2006 in Kisten verpackt und bis zum Abtransport nach Chile in einer Halle auf dem Gelände der ESO in Garching gelagert.

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Im Jahre 2005 wurde die Kamera zusammen mit der Detektoreinheit in einem Labor der ESO in Garching an einem Simulatorstand getestet. Damit konnten alle Funktionen unter realitätsnahen Bedingungen überprüft und optimiert werden.

Der Aufenthalt in Garching sollte sich jedoch einige Jahre hinziehen, denn die Fertigstellung des VST wurde durch unvorhergesehene Ereignisse immer wieder verzögert. So kam es z. B. zur Zerstörung des Hauptspiegels beim Transport nach Chile und es ergaben sich erhebliche Probleme mit der aktiven Optik des Teleskops und der Montierung des Sekundärspiegels. Erst 2011 war es dann endlich soweit: ESO konnte am 8. Juni dieses Jahres First Light für die Kombination VST/Omega-CAM vermelden.

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Im Jahre 2008 war OmegaCAM zum Basislager des Paranal transportiert und anschließend per Lastwagen zur Integration und Funktionsüberprüfung in ein Labor im Kontrollgebäude des VLT gebracht worden.

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Die Kuppel des VLT Survey Telescope (VST) befindet sich auf dem Paranal zwischen den VLT-Teleskopeinheiten 3 und 4. Die Weitwinkelkamera OmegaCAM ist das einzige Instrument an diesem 2.6 m-Teleskop und wird ausschließlich für Himmelsdurchmusterungen eingesetzt. First Light mit der bullig wirkenden Datenakquisitionsmaschine konnte erst im Juni 2011 stattfinden, da sich die Lieferung des Teleskops wegen unvorhergesehener Ereignisse um viele Jahre verzögert hatte. Das OmegaCAM-Kosortium hat zum Bau der Kamera etwa 4 Millionen € und 80 Mannjahre Arbeit investiert.

Am 15. Oktober 2011 kam OmegaCAM dann offiziell in den wissenschaftlichen Einsatz. Mit den Daten dieser Himmelsdurchmusterung, die nur im Service-Modus gewonnen werden, hofft man Beiträge zur Lösung astronomischer Fragestellungen in einem weiten Bereich leisten zu können: Von der Suche nach extrasolaren Planeten, über Untersuchungen zur Struktur und Evolution unserer Galaxis sowie die Erforschung naher Galaxien und Galaxienhaufen bis zur Erkundung hochenergetischer Quasare und dem Verständnis der Natur der Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Die gewonnenen Daten sind dabei nicht nur per se von höchstem Wert, sondern erlauben auch eine optimale Vorbereitung für Folgebeobachtungen mit dem VLT. Die deutschen Institute haben für ihren personellen und finanziellen Einsatz 5% der am VST insgesamt verfügbaren Beobachtungszeit über einen Zeitraum von 10 Jahren erhalten sowie zusätzlich einmalig 35 Beobachtungsnächte am VLT. Die Planungen zur optimalen wissenschaftlichen Nutzung dieser Zeit waren schon während der Konstruktionsphase der Kamera auf Hochtouren gelaufen. Denn die gewaltigen Datenmengen, die bei dieser Art von Beobachtung entstehen (über 50 Gigabyte pro Nacht), erforderten eine konzentrierte Zusammenarbeit vieler Arbeitsgruppen an den beteiligten Instituten, damit der Datenfluß in vielfältigster Hinsicht optimal genutzt werden kann. Es wurde daher auch in München, u. a. im Rahmen eines EU-geförderten Netzwerkes, an vollständig automatisierten Reduktionsverfahren (Pipeline Reduction) gearbeitet und die Vernetzung eigens beschaffter superschneller Computeranlagen mit entsprechend hohen Speicherkapazitäten zum Datentransfer zwischen den Partnern betrieben. Die so erhaltenen Ergebnisse der OmegaCAM-Beobachtungen werden weltweit interessierten Astronomen zur Verfügung gestellt.

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Das erste freigegebene Bild, das mit OmegaCAM im Juni 2011 am VST aufgenommen wurde, zeigt den etwa 5500 Lichtjahre entfernten Omega- oder Schwanennebel, der eines der aktivsten Sternentstehungsgebiete unserer Galaxis darstellt. Einige hundert junge, hinter Gas- und Staubmassen verborgene Sterne regen diese zum Leuchten an. Das große Gesichtsfeld von einem Quadratgrad (etwa vierfache Vollmondgröße) erlaubte es erstmals, den gesamten Nebel einschließlich seiner schwächeren äußeren Teile abzubilden und dabei gleichzeitig die hervorragende Bildschärfe quer über das gesamte Bild zu demonstrieren.

Bildquellen:

Nr. 1–3, 6, 7: USM
Nr. 4, 8–17: ESO
Nr. 5: SAGEM

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