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Warum H$_{\rm \alpha}$?

Das Zusammentreffen dreier günstiger Umstände ist dafür die Ursache:

1.
Die $H_{\alpha}$-Linie ist eine sogenannte $\rho^{2}$-Linie.
Im Gegensatz zu Resonanzlinien (insbesondere den im vorhergehenden Kapitel diskutierten UV-Linien mit P Cygni Charakter), deren Opazität sich proportional zur Dichte verhält, gilt unter Windbedingungen für eine Reihe von Linien zwischen angeregten Niveaus
\begin{displaymath}
n_{l,j}(l \not = 1) \sim n_{\rm e} n_{j+1} f(T_{\rm e}, \ldots )\end{displaymath} (33)
(nl,j : Besetzungszahlendichte von Niveau l in Ionisationsstufe j, $T_{\rm e}$ : Elektronentemperatur, $n_{\rm e}$ : Elektronendichte). Die Besetzung der verschiedenen angeregten Niveaus ist demnach immer proportional zum Produkt aus der Gesamtbesetzung der nächsthöheren Ionisationsstufe und der Elektronendichte.

Aus dieser Tatsache folgt u.a., daßdas Verhältnis von Emissions- und Absorptionskoeffizient, die sog. Linienquellfunktion $S^{\rm L}$ (die im wesentlichen vom Verhältnis der Besetzungszahlen des oberen und unteren Niveaus des Linienüberganges bestimmt wird), für Linienübergänge oberhalb des Grundzustandes relativ konstant bleibt, solange dies auch für die Elektronentemperatur $T_{\rm e}(r)$ gilt. In guter Näherung entspricht die Linienquellfunktion dann der Planckfunktion $B_{\nu}(T_{\rm e})$. Verständlich wird dieses Verhalten dadurch, daßdie Population dieser angeregten Niveaus hauptsächlich durch die Strahlungsrekombination (Elektron + Ion(j+1) + Photon $\rightarrow$ angeregtes Ion(j), gefolgt von einer Abregungskaskade nach unten) gefüttert wird, die aufgrund der (Maxwellschen) Geschwindigkeitsverteilung von Elektronen und Ionen ein thermischer Prozess ist.

Für die im vorhergehenden Kapitel angesprochenen Resonanzlinien gilt hingegen $S^{\rm L}_{\rm Resonanz} \sim 1/r^{2\ldots 3}$. Dies liegt im wesentlichen daran, daßdiese Linien nur eine (Quasi-)Streuung der Photonen bewirken, d.h. sich die Anzahl der vorhandenen Photonen mit dem anwachsenden Windvolumen verdünnt.

Wie wir weiter unten sehen werden, ist es gerade diese Konstanz der H$_{\rm \alpha}$-Linienquellfunktion, die den signifikanten Unterschied der Form des H$_{\rm \alpha}$-Linienprofiles gegenüber einem P Cygni Profil bewirkt; man vergleiche die beiden Profile auf dem Titelbild dieser Anleitung[*].

Handelt es sich schließlich bei der Ionisationsstufe (j+1) um die Hauptionsationsstufe (wie es z.B. bei heißen Sternen für HII der Fall ist), gilt damit im wesentlichen

\begin{displaymath}
n_{l,j}(l \not = 1) \propto \rho^2,\end{displaymath} (34)

und aus $n_{lj} \sim \rho^{2}$ folgt damit auch, daßdie Opazität ein analoges Verhalten $\bar{\chi}_{\rm i}\sim \rho^{2}$ aufweist.

In Sternwinden treten solche sog. Rekombinationslinien bei zunehmender Winddichte in Emission auf, wobei die Äquivalentbreite proportional zum Quadrat der Winddichte ist (genauer gesagt zu $\frac{{\dot M}^2}
{R_{\star}^3v_{\infty}^3}$, vgl. Gl. 41); sie sind daher bessere ${\dot M}$-Indikatoren als Resonanzlinien, zumindest solange die Winddichte nicht zu gering ist!

2.
$H_{\alpha}$ ist eine der stärksten Linien.
Da man einen empfindlichen Indikator für die Winddichte haben möchte, benötigt man eine starke Linie (hohe Oszillatorstärke), die zudem in merklicher Besetzungsdichte vorhanden ist. Gesucht ist also eine Linie mit starkem Emissionsverhalten im Wind. Die stärkste $\rho^{2}$-Linie im Optischen ist in O-Sternen typischerweise die HeII $\lambda$4686-Linie, gefolgt von der $H_{\alpha}$-Linie.

3.
Das Verhalten von $H_{\alpha}$ ist gut verstanden.
Im Gegensatz zu den HeII-Linien ist das Verhalten der Balmer-Linien in O-Sternen gut verstanden und kann durch numerische Simulationen fast perfekt (gegenüber der Beobachtung) repräsentiert werden. Die Besetzungszahlstruktur ist hier sehr stabil und relativ unempfindlich gegen Variation stellarer Parameter.

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Roberto Saglia
5/7/1998