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 Analyse von UV P Cygni Profilen
Analyse von UV P Cygni Profilen - Bestimmung von physikalischen Parametern

Aus den im Praktikumsversuch gefitteten UV-Profilen ergeben sich, neben der Meßgrößen $v_{\infty}$, auch Werte, die den Verlauf der Linienopazität und damit der entsprechenden Besetzungszahlen repräsentieren. Insbesondere in Fällen, in denen das Profil nicht gesättigt ist, lassen sich daraus interessante Größen ableiten und mit theoretischen Vorhersagen vergleichen. Die entsprechenden Variablen seien (wie im zu verwendenden Fit-Programm) k und $\alpha$ genannt (nicht zu verwechseln mit den Größen gleichen Namens aus Kap. 5), und wir werden im folgenden zeigen, wie diese Größen mit tatsächlichen physikalischen Parametern des Windes zusammenhängen.

Parametrisiert man nämlich die Besetzungszahldichte nl(r) des unteren absorbierenden Niveaus des Übergangs über die Dichte und die Elementhäufigkeiten, kann man aus dem Linienprofil Information über das Produkt aus Massenverlustrate ${\dot M}$ und Ionisationsgrad X(v) gewinnen.

Die in Gl. 12 eingeführte optische Tiefe der betrachteten Linie läßt sich auch folgendermaßen schreiben, wenn wir von nun an Geschwindigkeiten in Einheiten der Endgeschwindigkeit und Radien in Einheiten des stellaren Radius messen

 
 \begin{displaymath}
\tau(v) = \bar{\chi}_{\rm i}(v) \, \lambda_{lu} \, \frac{R_{...
 ...\rm d}r} \, := \, \frac{\overline{\kappa}}{{\rm d}v / {\rm d}r}\end{displaymath} (22)
 
 \begin{displaymath}
\mbox{mit} \qquad
\overline{\kappa} \, := \, \frac{\pi e^2} ...
 ...
\frac{\lambda_{lu}R_{\ast}}{v_{\infty}} \, f_{lu} \, n_{l}(v).\end{displaymath} (23)
$\bar{\chi}_{\rm i}$ ist die frequenzintegrierte Linienopazität und $\lambda_{lu}$die Wellenlänge des betrachteten Überganges. In der Definition von $\overline{\kappa}$ (27), einer Größe, die der adäquat skalierten Opazität entspricht, ist der erste Faktor der klassische Absorptionsquerschnitt und flu die quantenmechanische Korrektur, die sog. Oszillatorenstärke. Ferner haben wir den im UV geringfügigen (negativen) Beitrag der stimulierten Emission vernachlässigt.

Die Besetzungszahldichte nljk des Levels l in der Ionisationsstufe j von Element k kann über den Anregungsgrad E, den Ionisationsgrad X und die relative Häufigkeit $A_{\rm k}$ des Elements bezüglich Wasserstoff ausgedrückt werden:
\begin{displaymath}
n_{ljk} = \frac{n_{ljk}}{n_{jk}} \, \frac{n_{jk}}{n_{k}}
\, \frac{n_{k}}{n_{\rm H}} \, n_{\rm H}\end{displaymath} (24)

\begin{displaymath}
\frac{n_{ljk}}{n_{jk}} = E(v) ,\quad
\frac{n_{jk}}{n_{k}} = X(v) ,\quad
\frac{n_{k}}{n_{\rm H}} = A_{\rm k}\end{displaymath}

Bezüglich der Umrechnung von Massendichten in Teilchenzahldichten kann man in guter Näherung für OB-Sterne, die nicht zu weit entwickelt sind, annehmen, daß fast alle Materie aus Wasserstoff und Helium besteht:  
 \begin{displaymath}
n_{\rm H} = \frac{\rho(v)}{m_{\rm H}(1+4Y_{\rm He})} \, , \quad 
Y_{\rm He}=n_{\rm He}/n_{\rm H} \end{displaymath} (25)
$Y_{\rm He}$ ist die relative Häufigkeit von Helium zu Wasserstoff, $m_{\rm H}$ ist die Masse des H-Atoms. Die Dichte $\rho(v)$ erhält man aus der schon eingeführten Kontinuitätsgleichung:

\begin{displaymath}
\rho(v) = \frac{{\dot M}}{4\pi \, R_{\ast}^2 v_{\infty}\, r^2v}\end{displaymath}

Einsetzen ergibt:  
 \begin{displaymath}
n_{ljk} = E(v)X(v)\, 
\frac{A_{\rm k}\, {\dot M}}
 {4\pi \, ...
 ...st}^2 v_{\infty}\, m_{\rm H}(1+4Y_{\rm He})} \,
\frac{1}{r^2 v}\end{displaymath} (26)
Aus einem Vergleich von (27) und (30) ist sofort ersichtlich, daßdie skalierte Opazität im wesentlichen (d.h. bei konstantem Ionisationsgrad) mit 1/(r2 v) variiert. Deshalb führen wir als Fitgröße den schon oben erwähnten Parameter k(v) ein, der unserer Linienstärke ki (vgl. Gl. 12) proportional ist:

 
 \begin{displaymath}
\overline{\kappa}(v) \,:= k(v) \, \frac{1}{r^2 v} \, \Rightarrow \,
\tau(v) = \frac{k(v)}{r^2 v {\rm d}v / {\rm d}r} \end{displaymath} (27)
also  
 \begin{displaymath}
k(v) = E(v)X(v) \, \frac{{\dot M}}{R_{\ast}v_{\infty}^2} \,
...
 ... H}} \,
\frac{A_{\rm k}}{1+4Y_{\rm He}} \, 
f_{lu} \lambda_{lu}\end{displaymath} (28)
Bis auf E(v) und X(v) treten jetzt nur noch Konstanten auf, k(v) parametrisiert also direkt das Verhältnis von Besetzungszahldichte nljk zur Dichte $\rho(v)$. Im weiteren können wir E(v) = 1 setzen, da wir uns in diesem Praktikum nur mit den sog. Resonanzlinien von NV und CIV beschäftigen werden, die beide vom Grundzustand ausgehen und deren Besetzungszahl demzufolge in etwa derjenigen der gesamten Ionisationsstufe entspricht. Unter dieser Bedingung ist k(v) direkt proportional dem Ionisationsverlauf X(v):  
 \begin{displaymath}
{\dot M}X(v) \, = \, 
\frac{ 4\pi m_{\rm H}\, (\,1+4Y_{\rm H...
 ...lu} \lambda_{lu} \, A_{\rm k}} \,
R_{\ast}v_{\infty}^2 \, k(v) \end{displaymath} (29)
Aus einer ``Messung'' von k(v) läßt sich also unmittelbar das Produkt von Massenverlustrate und Ionisationsgrad bestimmen. Allerdings wird hier auch ein zentrales Problem bei der Analyse von P-Cygni-Profilen im UV deutlich sichtbar. Die Bestimmung der Massenverlustrate allein aus den Resonanzlinien wird ganz außerordentlich erschwert durch die nur sehr ungenaue Kenntnis des Ionisationsgrades X(v). Alle anderen Größen ($R_{\ast},v_{\infty},A_{\rm k},Y_{\rm He}$) sind meistens in vergleichsweise guter Genauigkeit beschaffbar. Der Wert für X ist jedoch nicht mit einer empirischen Analysemethode ausschließlich unter Verwendung der UV-Spektren bestimmbar. Dies erfordert entweder ein numerisches Atmosphärenmodell oder er kann nur ermittelt werden, wenn die Massenverlustrate bereits anderweitig bestimmt worden ist (z.B aus der H$_{\rm \alpha}$-Linie im Optischen, vgl. Kap. 7).

Eine häufig verwendete Größe, die direkt aus den Linienfits ableitbar ist, ist die Säulendichte $N^{\rm col}$ der Absorber (in cm-2) zwischen zwei Positionen im Wind:

Im weiteren wollen wir nun unserer generalisiertes $\beta$-Geschwindigkeitsfeld (Gl. 21) als Standard verwenden, wobei wir gegenüber der ursprünglichen Definition eine Änderung durchführen (abgesehen von der Verwendung der skalierten Größen r, v):

 
 \begin{displaymath}
v(r) = \Bigr(1-\frac{b}{r}\Bigr)^{\beta} , b = 1 - v_{\rm min}^{1/\beta}\end{displaymath} (30)
Durch die Einführung des Parameters b tragen wir dem Umstand Rechnung, daßder Wind schon zu Beginn eine Anfangsgeschwindigkeit $v_{\rm min}$ haben soll, die in der Größenordung der Schallgeschwindigkeit ($\approx .01
v_{\infty}$) liegt. Mit dieser Vorgehensweise wird berücksichtigt, daßunterhalb des Schallpunktes die Druckterme dominieren, so daßdas $\beta$-Feld dort nicht mehr gültig ist. (Wie sollte das Geschwindigkeitsfeld unterhalb des Schallpunktes aussehen?) Des weiteren approximieren wir den Ionisationsverlauf durch ein Potenzgesetz bzgl. der Geschwindigkeit (dies ist nur die einfachste Möglichkeit, es existieren weitaus geschicktere Methoden), d.h.

 
 \begin{displaymath}
k(v) = k_o v^{\alpha}\end{displaymath} (31)
wobei $\alpha$ der oben erwähnten Größe im Fitprogramm entspricht. Aufgrund max(v) = 1 ist sofort zu ersehen, daßko dem Ionisationsgrad im Außenbereich des Windes entspricht, und daß$\alpha \gt 0 (<0)$ einen nach innen abfallenden (bzw. ansteigenden) Ionisationsgrad andeutet. $\alpha = 0$ bedeutet natürlich konstante Ionisation.

Mit diesen Definitionen (35,36) und den aus dem Fitprogramm bestimmten Größen $\beta, k_o$ und $\alpha$ läßt sich die Säulendichte (34) abschätzen:

 
 \begin{displaymath}
N^{\rm col}(v_1,v_2) \, = \, 
\frac {m_{\rm e}c} {\pi e^2} \...
 ... \,
\int\limits^{v_2}_{v_1} \, v^{1/\beta-2+\alpha} \, {\rm d}v\end{displaymath} (32)
Bei Angabe dieser Größe geht die Information über den Verlauf der Ionisation natürlich verloren.

Definiert man jetzt einen ,,mittleren Ionisationsgrad`` $\overline{X}$ als das Verhältnis der Anzahl aller Ionen eines Elements in der Säule zur Gesamtzahl der Teilchen des Elements, dann erhält man:

Man beachte, daßdie Angabe eines mittleren Ionisationsbruchteiles wiederum die Kenntnis von ${\dot M}$ voraussetzt. Die hier bereitgestellten Gleichungen sollen im Versuch dazu benützt werden, alle relevanten Größen abzuleiten.


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Roberto Saglia
5/7/1998